Beinahe alle Fragen die uns heute brennend bewegen – in Gesellschaft und Kultur, in Politik oder Natur münden in ein Thema – die Entfremdung von uns selbst. Wo ist sie hin, die Muße, die einmal den Spielraum für den Dialog sowohl mit unserer eigenen als auch mit der Seele unserer Mitmenschen bildete? Warum sind wir uns so fremd, warum fürchten wir das Fremde? Im Juni 2017 begegneten sich zwei Künstler am Fuß des Montmartre – der süddeutsche Altmeister M.Scharpf und der junge afrikastämmige Graffitikünstler Den End. Aus ihrer gegenseitigen Fremdheit – aber auch Faszination entwickelte sich die Idee ein gemeinsames Werk zu schaffen, mit ihm das Schöpferische im Fremden aufzuspüren und zu dokumentieren.
Den End, in Südfrankreich geboren. In Persona ein wandelndes Geheimnis das sich konsequent der Preisgabe seiner Biografie und Intimität entzieht, in einer Zeit in der jede Information verfügbar zu sein hat. Seine Arbeiten entstehen in spielerischer Handschrift und vermitteln eine Ahnung von der enormen afrikanischen Farbigkeit, aber auch von den Glasfenstern in St.Chapelle von Paris.
Nicht nur in seinem Vornamen Denis, sondern auch mit seinen Masken, die er selbst bemalt, gestaltet und trägt, erinnert er an Dionysos, den antiken Gott des Theaters und der Kunst, der sowohl die Anerkennung innerer und äußerer Fremdheit – das Verlassen der Gewohnheiten wie des Gewöhnlichen forderte.
Manfred Scharpf, 1945 in Süddeutschland geboren setzt mit historischen Farbmitteln die Brüche unserer Zeit ins Bild. Seine Grotesken, die zum Teil an die Renaissance erinnern stellen den Blick des Betrachters auf den Kopf und lösen ihn aus seinen Sehgewohnheiten. Seine werktypischen Tabuverletzungen schärfen den Blick auf die diskrete Schönheit im Andersartigen, Unerwarteten und führen in Welten die wir gerne meiden und verdrängen. Des Künstlers persönliches und künstlerisches Credo lautet – das Fremde und die Wildheit in uns selbst zu entdecken, zu umarmen bevor sie zum Gegner werden. Der Künstler ist international tätig, seine besonderen Ausstellungskonzepte in Europa und USA sprechen für die Qualität seiner Arbeiten.
BLIND DATE
Vermittelt dieses Arbeitsmotto nicht ein Feuerwerk an Phantasien? Wer könnte bestreiten, dass das Leben selbst ein ununterbrochenes Blind Date bedeutet? Wer glaubt, die Welt im Griff zu haben, lebt in einer Illusion. Doch können wir unsere Wahrnehmung ändern und den Farbenreichtum der Welt empfangen und in ein kreatives Leben umzusetzen. Ist dies nur die naive Vorstellung zweier Träumer? Ja! Im ursprünglichen Sinn des Wortes „naiv“, das heißt in vollem Einklang mit Natur und Wirklichkeit stehend. Für beide Künstler ein Gebot der Stunde.
Das für Juni 2018 geplante großformatige Werk ist Ausdruck und Metapher für ein „BLIND DATE“ zwischen Fremd und Fremd, für deren Integration im weitesten Sinn. Für beide Maler bedeutet das „Fremde“ in der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskussion keine Last sondern eine kreative und lustvolle Aufgabe, die Erweiterung unseres Denkens, Fühlens und Handelns zu motivieren. Ihre in Kooperation entstandenen und entstehenden Werke sind greifbare und überzeugende Dokumente eines Miteinander, das Individualität nicht zerstört, sondern wie ein Kaleidoskop Gegensätze vereint. Wie es geht, das ist dokumentiert in dem Werk der zwei Künstler.
Ein gelungenes Experiment und ein Vorgeschmack im Vorfeld des gemeinsamen Werkes, ist die Interpretation der Mona Lisa. In der Technik Leonardos von M.Scharpf in Deutschland vorbereitet – natürlich mit werktypischen grotesken Noten, wurde aus ihr in den Händen von Denis Lacroix in Paris ein Portrait der tausend Farben – MONA LISAS SUNRISE. Kuratoren dieses Projekts sind die Pariser Galeristin Eva Léandre und Renata Scharpf Tejová. Vorgestellt wird das gemeinsame Werk am 8. November 2018 in der Vertretung des Landes Baden Württemberg bei der EU in Brüssel.