In der Urkraft des EROS spiegelt sich der Mensch, nicht nur in seiner gegenseitigen Anziehung sondern weit darüber hinaus in der Beziehung zum Kosmos. Im Großen wie im Kleinen, in der Welt der Steine wie in Tieren und Pflanzen – im gesamten Spannungsfeld unserer Existenz.
Der mythische EROS trägt zwei Pfeile im Köcher, die unser Verhältnis zu diesem Kosmos ausdrücken. Die goldene Spitze des einen befeuert die Leidenschaft und verweist auf die Liebe und das Leben selbst. Die Bleierne des Zweiten zeigt auf eine Welt ohne Sinnenfreude aus der EROS seine Psyche – und damit unsere Seele retten will. Für uns Menschen ein schönes Sinnbild, das bejahende Prinzip des EROS auch auf unser Leben in einer zunehmend seelenlosen Welt zu übertragen.
EROS des Schaffens
Der Maler durchwanderte viele dieser Welten und erfuhr dabei dass sich deren Kontraste gegenseitig bedingen. Seine Philosophie gründet nicht auf theoretischen Formeln sondern speist ihre Kraft direkt aus den Erfahrungen mit der psychischen, der stofflichen und der sinnlichen Welt. Die Erdung – und damit Selbst-Sicherheit erhielt der Maler aus den handwerklichen Fähigkeiten. Mit ihrer Hilfe konnte und durfte er seine Bilder in beinahe fünfzig Jahren idealer Freiheit gestalten. Sie ist sicher auch der Grund, weshalb er weder aus seinen Höhenflügen ins Verderben stürzte, noch es ihn in den Abgrund neuzeitlicher Kunstideologien riss.
Im Handwerklichen berühren sich Intuition, Verstand und physisches Tun. Die Herstellung einer meisterlichen Arbeit, sie aus sich selbst heraus mit dem Besten, dessen der Mensch fähig ist, zu erschaffen – welche Befriedigung und Genuss, dazu noch mit anhaltender Wirkung käme dem gleich?
Die Sinnlichkeit der Farben, der natürlichen Bindemittel, das Auftragen auf vorbereitetes Holz, die Glätte des Kreidegrundes – und schließlich die koordinierte Bewegung der Hände die wesentlich zur produktiven Vernetzung und Verschaltung unseres Gehirns beiträgt bedeuten für den Maler alltägliche Stunden des Glücks. Eine sinnliche Liebe und ein Tor zur Seele mit den natürlichen Mitteln der Malerei.
Hat Handwerk also doch goldenen Boden? In seinen manuellen Fähigkeiten zeigt sich der Mensch von seiner besten Seite. Handwerkliches Tun und Können ist die wirkungsvollste Prävention gegen die Verführungen einer künstlichen Welt, deren Versprechungen trügen.
Manfred Scharpf sieht sich deshalb weniger als Künstler sondern als ein „Hand-Werker“ im Dienst der Seele und des Geistes, wie es schon Leonardo forderte.
Zu den handwerklichen Fähigkeiten der Malerei gesellt sich bei ihm ein Zugang zum Unbewussten, zur Intuition, von der er sich lenken und tragen lässt.
In der Anwendung natürlicher Mittel spielt die Alchemie – die er seit Jahrzehnten seinen Werken voranstellt, eine wichtige Rolle. Ihr Grundsatz lautet – im Einklang mit der Natur – nicht gegen sie. Die wenigsten Menschen sind sich darüber bewusst, dass uns die Verwendung synthetischer Mittel und Verfahren der tiefgreifenden Sinnenfreude beraubt, wie sie der Umgang mit den Substanzen der Erde bietet. Der Anspruch der Kunst, gegen einen „Abbau des Menschlichen“ schonende Alternativen im Umgang mit der Welt zu vermitteln klingt wenig überzeugend, wenn sie selbst auf Mittel zurückgreift die eine chemische Industrie voraussetzen.
EROS der Natur
Des Malers überregionale Aktivität als Auseinandersetzung mit der Weltbühne findet ihren Gegensatz in den Wundern die in unmittelbarer Nähe zum Atelier geschehen. Dort, in seiner Heimat findet er mit den Tieren der Waldes, den Tobeln und Wasserfällen, in Schillers „Brüsten der Natur“ eine ununterbrochen fließende Quelle der Inspiration. Sein jüngstes Werk „Der Baum der Erkenntnis“ bringt dies in reinster Form zum Ausdruck.
Beinahe jeder Mensch wird seine Liebe zur Natur betonen, oft jedoch nur als sentimentale Floskel. Selten aber wird er sich die Frage stellen – liebt die Natur auch mich? Der zweifelhafte Umgang mit unseren Lebensgrundlagen bringt eine weitere Diskrepanz ins Bewusstsein: Wie steht es mit der Liebe zur Heimat? Für viele nur noch ein hohles Wort. Liebt die Heimat uns in unserem globalen Wahn? Oder sind wir verirrte Heimatlose der eigenen Zukunft?
Der Mensch von Heute betritt die Welt mit dem Smartphone. Statt die kleinen alltäglichen Wunder wahrzunehmen sucht er verborgene Paradiese mit Hilfe von elektronischen Medien. Blind für die Kostbarkeiten direkt vor ihm starrt er auf Displays, sieht, hört und fühlt nichts mehr.
Der Maler ruft unseren ursprünglichen Sinn für Vielfalt, Widerspruch, Analyse und Synthese, allesamt Teil einer universellen Wahrheit in Erinnerung. Er lenkt unseren Blick wieder auf die kleinen Wunder des Lebens um in ihnen den EROS abseits der Plastik- und Hochglanzwelt zu entdecken. Damit wappnen wir uns auch dagegen, selbst zu plastifizierten Objekten zu werden.
Gedanken an unsere Wurzeln als Teil der Schöpfung besitzen heute höchste Aktualität, denn die Naturgesetze halten sich kaum an die Wünsche und Illusionen des Menschen, wie die Geschichte zeigt. Am Ende fordern sie das ein, was ihnen der Mensch verwehrte indem er sich selbst zur höchsten Instanz erhob und sich über die Natur stellte.
In dieser Ausstellungskonzeption verbindet sich die Malerei von M.Scharpf mit den Plastiken von Hermann Scharpf zu einem thematischen Ganzen. Der Archäologe bringt uns den antiken EROS mit seinen zeitlosen archetypischen Inhalten und Mythen in neuer Weise nahe. Den überlieferten musealen Formen entnommen, setzt er seine Götter mit lebenden Modellen mitten in unsere Zeit, haucht der bedrohten Götterwelt und ihren jahrtausendealten Botschaften ein neues Leben ein das bis in den sinnlichen EROS der Hautoberflächen seiner Skulpturen reicht. Für ihn spiegelt sich die Schöpferkraft des EROS in ganz nahe liegenden Dingen, im unmittelbar Existierenden. Oberflächen sind für ihn der Schlüssel zur sinnlichen und geistigen Erschließung der Welt. Sein besonderes Interesse gilt den Abgüssen vom lebenden Körper. Der menschliche Leib ist neben seinem somatischen Innenleben Heimat von Geist und Seele. Ohne seine äußere Umhüllung, die Haut, wäre er schutzlos wie ein Land ohne Grenzen.
Der Geist in der Maschine
Selbst im Zusammenspiel erfindenden Geistes mit der Technik finden wir den EROS. Die Elektronen als Träger von Information auf der Ebene des Menschen liegen auch der Funktionsweise von Maschinen und elektronischen Geräten zugrunde. Die vor dreißig tausend Jahren aus Stein und Knochen gefertigten Geräte eiszeitlicher Jäger sind ästhetische, aus dem Zweck geborene Leistungen, die sich in der modernen Technik fortsetzen.
Heute ist wohl jedem der EROS geschwungener Autoformen ein Begriff. Der Geist ästhetischer Technik entspricht dem in der Materie, der Geist des Erfinders findet sich im Geist des Erfundenen...